Eigentlich sollte ich dankbar sein. Ein Arbeitskollege hat mir ungefragt einen Tipp zum Autokauf gegeben. Neulich hat mir ein Freund geraten, regelmäßig schwimmen zu gehen, sobald die Bäder wieder öffnen. Meine Schwiegermutter wollte auch nur helfen, als sie mir nebenbei zeigte, wie sie Bechamelsoße ohne geronnene Eiklümpchen anrührt. Und ich? Bin nur so halbwegs begeistert von den ganzen Ratschlägen. Die sind ja bekanntlich auch Schläge, wie der Volksmund sagt. Denn jeder Tipp macht mich zum vermeintlich notleidenden Empfänger. Wenn ich aus eigenem Antrieb um Hilfe bitte, ist es übrigens anders. Dann freue ich mich, weil ich merke, dass andere mich unterstützen. Das sind dann keine Besserwisser, sondern tatsächlich vielleicht Besserkönner. Bei ungefragten Hinweisen höre ich hingegen heraus: “Von Autos hast Du ja im Gegensatz zu mir keine Ahnung”. Oder: “Unfähig in der Küche. Unsportlich. Naiver Trottel. Du machst es falsch, ich weiß gottseidank, wie es besser geht.”
Mir ist klar, warum ich Schwierigkeiten habe, wohlwollenden Rat anzunehmen. Es nagt an meinem Selbstwertgefühl und unterminiert mein Ego, wenn ich etwas bekomme, um das ich nicht gebeten habe. Auch wenn es noch so gut gemeint ist – ich lese die Botschaft: Du bist nicht genug. Vielleicht bin ich neidisch auf das Wissen und die Fertigkeiten meiner Mitmenschen. Vielleicht ist es aber auch so, dass ich selbst lieber Rat gebe statt ihn zu erhalten, denn dann fühle ich mich gut und nützlich. Doch muss ich den anderen das Bedürfnis absprechen, sich gut und nützlich zu fühlen? Wenn ich mir klar mache, dass jeder in manchen Lebensbereichen ein Besserkönner ist, kann ich leichter annehmen, wenn andere mal wirklich etwas besser wissen.
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